„Wir haben etwas gewagt, was bisher in der deutschen Energiewirtschaft einmalig war“

14. März 2022
Quelle: Getty Images

Frank Zeeb und Theo Waerder haben die Zuteilung der 450MHz-Frequenz für die Branche vorangetrieben. Sie geben Einblicke wie sehr der Zuschlag auf der Kippe stand, wie das Funknetz beim Hochwasser hätte helfen können und wie der Aufbau derzeit vorangeht.

Theo Waerder, Vorstandsvorsitzender der Versorger Allianz 450MHz, die zu 35 Prozent an 450connect beteiligt ist: Das Thema Sektoren-Kopplung spielt ebenfalls eine zentrale Rolle. Mit der Elektrifizierung von Kernindustrien, aber auch mit der Herstellung von Wasserstoff wachsen viele Bereiche zusammen. Die Energie- und Wasserbranche steht vor der großen Herausforderung, die Energie-, Klima- und Verkehrswende gleichzeitig zu meistern. Eine weitere Basis davon sind sichere und verlässliche Kommunikationsstrukturen.

Auch wenn das vorher schon bekannt war, haben die Hochwasser in Rheinland-Pfalz, im Ahrtal und in Nordrhein-Westfalen noch einmal gezeigt, wie wichtig eine funktionierende autarke Kommunikationstechnologie ist. Die Krisenkommunikation des BDBOS hat hier nicht funktioniert, eine sichere Kommunikation wäre aber mit der 450 MHz-Frequenz möglich gewesen, da die Funkmasten auf größeren Höhen stehen und hochwasserresillient sind. Das Beispiel veranschaulicht recht gut, wie sicher die Kommunikation über das 450-Funknetz sein kann und dass es spartenübergreifend Nutzen bringen wird. Seit dem Jahrhunderthochwasser diesen Jahres nehmen wir auch einen verstärkten Fokus auf das Thema Sicherheit bei unseren Kunden war. Mit dem 450-Funknetz können wir Ihnen die nötige Sicherheit bieten.

ZfK: Wie sicher war der Zuschlag der Frequenz für die Energiewirtschaft?
Zeeb: Das Verfahren war keinesfalls sicher, denn es hat sich sehr lange – über Jahre hinweg – hingezogen. Es gab immer wieder Fragen und Einwände von den Sicherheitsbehörden und deshalb bis zum Schluss auch kein klares Bild. Der Prozess war stets von Unsicherheiten geprägt, aber auch von einem sehr intensiven Networking in unserer  Branche und mit unseren Verbänden BDEW und VKU. Wir waren über den gesamten Zeitraum hinweg entschlossen, alles mögliche dafür zu tun, damit wir die Frequenzen auch erhalten. Letzten Endes haben wir einen sehr erfolgreichen Weg hinter uns gelegt, auch wenn eine sehr lange Zeit anders aussah.

Zudem haben wir gleich zwei Herausforderungen gemeistert. Da war nicht nur das Lizenzverfahren ein Thema, sondern wir haben etwas gewagt, was bisher in der deutschen Energiewirtschaft einmalig war –  und zwar quasi die gesamte Energiebranche inklusive der Wasserwirtschaft für das Vorhaben zu gewinnen und zugleich in einer Gesellschaft, der 450connect GmbH zu bündeln und zu beteiligen.

Waerder: Wir haben auf jeden Fall etwas früher mit einer Entscheidung gerechnet. Dementsprechend ist jetzt Druck auf dem Kessel, damit wir unsere Pläne einhalten. Ich bin aber sehr zuversichtlich, da die Teams und beteiligten Unternehmen hoch motiviert sind. Der Zusammenhalt der Energie- und Wasserbranche über partikular Interessen hinaus, war der Garant für die breite Zustimmung aus Politik und Entscheidern für das Branchenmodell. Dieser stellt auch den nachhaltigen Erfolg dann auch in Zukunft sicher.

ZfK: Warum war es so wichtig, dass die Energiewirtschaft diese Frequenz zugesprochen bekommen hat?
Zeeb:  Die Energie- und Verkehrswende wird vor allem die Mittel- und Niederspannungsnetze extrem herausfordern, denn Millionen von PV-Anlagen, Speicher, Ladesäulen, Aktoren, Sensoren und Aktivitäten von Prosumern müssen professionell gemanagt werden.  Die Verteilnetzbetreiber benötigen dazu jetzt eine extrem sichere und geschützte Kommunikation in Echtzeit, um weiterhin eine sichere und zuverlässige Energieversorgung zu gewährleisten.

Waerder: Wir haben als Energie- und Wasserver- und -entsorgungsbranche früh erkannt, dass Glasfasern und Kupferleitungen nur bedingt eine zukunftssichere Kommunikationslösung darstellen. Denn im Rahmen der Energiewende haben wir es mit einer Vielzahl an Energiequellen und Verbrauchern zu tun und hier bestimmt allein der Kunde den Standort. Das heißt, es gibt viele kleine und große Stromerzeuger wie PV-Anlage, Windkraftanlagen, KWK-Anlagen usw., aber auch zahlreiche Verbraucher wie z.B. Haushalte, Industrie, Ladeinfrastruktur, Wärmepumpen etc., die koordiniert werden müssen. Hinzu kommen noch andere Sparten, wie zum Beispiel Gas-, Wasser-, Wärmeversorgung und Abwasserentsorgung , die ja ebenfalls gemonitortd und gesteuert werden müssen. Es wird also kompliziert und auf Netzbetreiber kommen viel mehr Steuerungsaufgaben hinzu und wir müssen sektorübergreifend denken. Dies ist alles aber nur mit einer leistungsfähigen Funklösung zu steuern.

ZfK: Hätte man nicht auf das 5G Netz gehen können?
Waerder: Das 5G Netz für die Versorgungswirtschaft, ist wie mit Kanonen auf Spatzen zu schießen. 5G ist ein hochleistungsfähiges System mit einer sehr komplexen Struktur und großen Datenmengen, die da übertragen werden können. Wir in der Energie- und Wasserbranche brauchen vergleichsweise wenige Informationen, dafür aber aus Millionen von Informationsquellen, und auch wesentlich weniger Funkmaste. Für 5G werden ca. 750.000 Antennen in Deutschland gebraucht, da die Reichweiten sehr gering sind. Mit 450MHz brauchen wir deutlich weniger Masten. Unser System ist schwarzfallfest über 72 Stunden. Auch dies kann das 5G-Netz nicht leisten.

Zeeb:  Das 450MHz-Funknetz bietet genau die kommunikativen Fähigkeiten (Echtzeit, Ausfallsicherheit, gegen Cyberangriffen etc.) und Kapazitäten für die Erfordernisse der Energie- und Wasserwirtschaft Stichwort: Maschine to Maschine Kommunikation. Ferner lässt sich das Netz um ein vielfaches schneller und günstiger aufbauen und betreiben. Zeit, Zuverlässigkeit, Sicherheit und Wirtschaftlichkeit sind die Erfolgsparameter, welche jetzt in dieser wichtige Phase nur diese Frequenz bietet.
    
ZfK: Wie geht es nun weiter? Was sind die nächsten Schritte? Wer baut denn eigentlich aus, wie werden die Aufgaben verteilt?
Zeeb: Wir, das heißt der Aufsichtsrat, die Gesellschafter und Geschäftsführung der 450connect GmbH haben eine klare und verbindliche Roadmap erarbeitet, welche jetzt professionell umgesetzt wird, damit wir bis Ende 2024 das Funknetz deutschlandweit aufgebaut  und funktionstüchtig haben. Innerhalb dieser Roadmap sind wichtige Beschaffungsthemen, Funknetzplanungen, konkrete Rollout-Pläne (wer stellt Standorte bei bzw. werden angemietet) bis hin zu wichtigen Vertragsthemen dabei. Alle Gesellschafter bringen sich engagiert und höchst motiviert mit ihren Experten ein, so dass dieses sehr bedeutende „Projekt“ – in time und Budget- umsetzt werden kann.

Waerder: Technisch geht es in großen Schritten weiter. Systeme und vorrangige Netzgebiete sind festgelegt und der Ausbau geht jetzt los. Unsere Unternehmen sind voller Tatendrang und wollen jetzt bauen, Dies ist umso wichtiger, da uns als Versorgungsunternehmen immer neue Entwicklungen fordern. Zum Beispiel Wasserstoff, Digitalisierung, Sektorenkopplung sind solche Themen. Die Energie- und Wasserwelt wird immer vernetzter. Ein riesiger Energiemix mit unterschiedlichen Enstehungszeiten, muss genauso gesteuert werden, wie entsprechende Entnahmen. Hier brauchen wir Konzepte, damit man demnächst vorausberechnen, wann der Strom und wo benötigt wird. Hier hilft die 450 MHz-Technologie solche Daten sicher zu übertagen, damit die  Vorhersagemodelle in Echtzeit arbeiten. Es ist war also wichtig, dass der Ausbau jetzt gemacht wird. Länger hätten wir nicht warten können.


ZfK: Wieviel Funkstandorte sind denn geplant?
Zeeb: Insgesamt werden es Ende 2024 rund 1600 Standorte sein. Bereits heute haben wir rund 100 Standorte realisiert. Der Hochlauf für 2022 bis 2024 ist mit den Gesellschaftern sowie mit den externen Partnern fest vereinbart.

Waerder: Ich bin da sogar optimistischer! Ich denke, dass wir bis Ende 2022 weit über die vierstellige Zahl hinaus, Standorte für Funkmasten geklärt haben werden, insbesondere wenn wir Antennen berücksichtigen, die jetzt schon in Betrieb sind und gemietet werden können. Gemeinderäte oder Stadträte müssen heute nicht mehr von einem schwarzfallfesten Funksystem überzeugt werden. Auch die Flutkatastrophe vom 15. Juli diesen Jahres hat uns die Notwendigkeit vor Augen geführt. Wir beobachten häufig, dass aus Sicht der Lokalpolitik diese Antennen jetzt gar nicht schnell genug aufgebaut werden können. Deswegen glaube ich, dass es eine hohe Dynamik in den kommenden Jahren geben wird. Wir werden die Masten, die wir benötigen, sehr zügig aufbauen, da bin ich mir sehr sicher.

Quelle: zfk.de https://bit.ly/33n2wus