Das energate Magazin, Sonderausgabe Mai 2023: "Smart vernetzt 450MHz"

10. Mai 2023
Titelbild der emw Fachbeitrag 450MHz
Bildquelle: www.emw-online.com

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Digitale Kommunikation, die für die politisch gewollte Energiewende notwendig ist, braucht sichere Daten- und Sprachdienste, wie sie das 450-MHz-Funknetz bietet. Wie Unternehmen der kritischen Infrastrukturen, insbesondere Energie- und Wasserversorgungsunternehmen als große Bedarfsträger, vom 450connect-Funknetz profitieren können, zeigt der folgende Artikel.
Von Dr. Frederik Giessing, Geschäftsführer 450connect

Die Energieunternehmen stehen vor großen Heraus­forderungen wie Dekarbonisierung, Dezentralisie­rung und Digitalisierung. Und sie sind zusätzlich der Garant für eine erfolgreiche Umsetzung der Energie­wende. Um diese gewaltigen Zukunftsaufgaben bewältigen zu können, braucht es insbesondere Zweierlei: zum einen ein gemeinsames Verständnis, wie künftige Lösungen aus­sehen können, und zum anderen ein hochverfügbares Kom­munikationsnetz auf Basis einer bundesweiten Plattform.

Eine intelligente Infrastruktur auf Basis des 450-MHz-Funknet­zes ist hier die passgenaue Lösung für die Betreiber kritischer Infrastrukturen – sowohl im alltäglichen Geschäft als auch in Krisensituationen wie dem Hochwasser 2021. Das einzige bun­desweit verfügbare Funknetz, das diskriminierungsfrei ausfall­sichere Sprach- und Datenkommunikation mit einer hervorra­genden Flächen- und Gebäudeversorgung allen Unternehmen der kritischen Infrastrukturen anbietet, wird bis 2025 deutsch­landweit zur Verfügung stehen.

Die formale Zuteilung der 450-MHz-Frequenzen durch die Bun­desnetzagentur erfolgte im Frequenzbereich 451,00 MHz bis 455,74 MHz beziehungsweise 461,00 MHz bis 465,74 MHz. Die­ser Frequenzbereich ist vom 3GPP-Gremium weltweit als Band 72 standardisiert und ermöglicht damit den Einsatz moderner Funktechnologien wie LTE und LTE-M (4G/5G).

Testbetrieb gestartet

Das LTE-450-Funknetz hat im März diesen Jahres seinen Test­betrieb wie geplant in einigen Gebieten Deutschlands aufge­nommen. Die ersten Kunden stammen dabei aus dem Gesell­schafterkreis von 450connect. Im Mittelpunkt stehen zunächst Anwendungen rund um intelligente Messsysteme (iMSys), Smart Grid sowie betriebsinterne, mobile Sprach- und Daten­kommunikation.

Die Anwendungsbereiche, bei denen die Kunden vom 450-MHz- Funknetz profitieren können, sind zahlreich. So unterstützt es die Energiewirtschaft von der Netzüberwachung und -steuerung über die Anbindung von Erzeugungs- sowie Verbrauchsanlagen bis hin zur Auslesung von Smart-Meter-Gateways (SMGW). Es stellt damit einen entscheidenden Baustein für die so dringend nötige Digitalisierung der Energiewende zur Verfügung. Denn der Erfolg der politisch gewollten Energiewende hängt entschei­dend von der Verknüpfung jener Daten ab, welche die Verfüg­barkeit und Flexibilität von regenerativen Quellen sowie steuer­baren Verbrauchern beschreiben. Nur so lassen sich Produktion und Verbrauch über Eingriffe des Netzbetreibers steuern und damit die Netzstabilität gewährleisten.

Anwendungsfall: Smart Metering

Der Rollout von SMGW hält für Messstellenbetreiber einige Herausforderungen bereit. Intelligente Messsysteme sind oft in Kellern oder anderen vergleichsweise schwer zugänglichen Orten platziert. Durch die Wellenlänge der 450-MHz-Frequenz sind eine besonders gute Gebäudedurchdringung ebenso wie eine flächendeckende Erreichbarkeit gegeben.

Zudem bietet 450connect eine hohe Systemverfügbarkeit so­wie Priorisierungsmöglichkeiten bei kritischen Schaltbefehlen über iMSys, um die steigende Anzahl an Erzeugungsanlagen im Verteilnetz zuverlässig zu steuern und den Leistungsbe­zug am Netzanschluss über steuerbare Verbraucher wie Wär­mepumpen und Wallboxen verlässlich regulieren zu können (Abb. 1). Auch in den anderen Sparten Gas-, Fernwärme- und Wasserversorgung steigt der Bedarf an fernauslesbaren Zäh­lern, um auch unterjährig Abrechnungsdaten zur Verfügung stellen zu können.

Der wachsenden Bedeutung, die dem Erfassen von Daten bei der Energiewende zukommt, begegnet im Übrigen auch die Politik mit dem unter der Federführung des Bundesministeri­ums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) erarbeiteten und MItte April verabschiedeten „Gesetz zum Neustart der Digita­lisierung der Energiewende“ (GNDEW). Das Gesetz vereinfacht den Smart-Meter-Rollout und gibt Rechtssicherheit.

Anwendungsfall: Smart Grids

Im Zuge der Energiewende wächst sowohl die Anzahl von Erzeugungsanlagen wie Photovoltaikanlagen als auch die von Verbrauchsanlagen wie Ladeinfrastruktur oder Wärme­pumpen im Niederspannungsnetz stark an. Damit werden die Überwachung und Schaltmöglichkeiten in der Netz-infrastruktur, beispielsweise in Ortsnetzstationen, zuneh­mend wichtiger.

Fernauslesbare Kurzschlussanzeiger zur schnellen Fehlerloka­lisierung und Wiederversorgung sowie die Fernschaltung von Lasttrenn- oder Leistungsschaltern spielen in der Praxis eben­falls eine große Rolle. Auch hier sind andere Sparten, wie die Gasversorgung oder die Fernwärme, ebenfalls auf verlässliche und hochverfügbare Kommunikationsanbindungen für Schalt­handlungen und Netzzustandsdaten angewiesen.

Auch für alle diese Anwendungen stellt 450connect anfor­derungsgerechte Kommunikationsdienste auf Basis von LTE- 450 zur Verfügung, und zwar unabhängig von öffentlichen Telekommunikationsnetzen. Neben vielen weiteren Vortei­len, dazu zählt die Priorisierung von Schaltbefehlen bei kri­tischen Netzzuständen, ist das 450-MHz-Funknetz zusätzlich bis zu 72 Stunden schwarzfallfest. So kann 450connect auch in großflächigen Krisenfällen die Kommunikationsfähigkeit von Betreibern kritischer Infrastrukturen aufrechterhalten und bietet die so wichtige Resilienz in Krisensituationen wie Stromausfällen.

Anwendungsfall: Krisenkommunikation

Zusätzlich zu Funkdiensten für Datenverbindungen zählt auch die Sprachkommunikation mit Wartungs- und Reparaturteams – sowohl im Normalbetrieb als auch in Krisensituationen wie flächendeckenden Stromausfällen – zu den Anwendungsberei­chen des 450-MHz-Funknetzes.

In Krisen wie dem eingangs erwähnten Hochwasser im Ahrtal und weiteren Regionen im Sommer 2021 spielt Sprachkommunikation eine besondere Rolle. In solchen Si­tuationen können sich Bereitschaftsdienste mit der hoch­verfügbaren Sprachkommunikation von 450connect unter­einander verständigen. Ebenso ist eine Kommunikation mit der Netzleitstelle, dem vorgelagerten Netzbetreiber oder anderen Betreibern kritischer Infrastrukturen sowie den Kri­senstäben möglich.

Anwendungsfall: Schaltgespräch

Ein weiteres Anwendungsbeispiel für das 450-MHz-Funknetz sind Schaltgespräche, in denen höchste Konzentration erfor­derlich ist, damit die Schaltanweisungen präzise erteilt und durchgeführt werden können. Damit dies gelingt, sorgt das 450-MHz-Funknetz für eine verlässliche Bereitstellung der Sprachanbindung. Diese realisieren wir über die 3GPP-stan­dardisierte Mission-Critical-Push-to-Talk-Plattform (MCPTT) als Ende-zu-Ende-Anwendung.
 

Die MCPTT-Plattform verbindet dabei zwei Vorteile: Zum einen Push-to-Talk-Dienste mit Gruppen und möglicher Priorisierung wie im Bündelfunk. Zum anderen Ende-zu-Ende-Telefonie im Full-Duplex-Modus und mit Chatfunktionen. Auch eine Neben­stellenanlage kann integriert werden. Eine Kommunikation in geschlossenen Benutzergruppen, auch unternehmensüber­greifend, ist somit bestens möglich.

Fazit: Ein starkes 450-MHz-Ecosystem mit Zukunft

Das Bindeglied aller Akteure im 450-MHz-Ecosystem ist der rege, wechselseitige Austausch mit Kunden und Partnern – dazu zählen unsere starke Gesellschafter­struktur ebenso wie Hersteller und Anwender von 450-MHz-Geräten sowie unsere (künftigen) Kunden – für uns ein hohes Gut, um unsere passgenauen Lösungen anbieten zu können. Denn die vielschichtigen Impulse aller am Zukunftsnetz Beteiligten sind aus unserer Sicht die entscheidende Grundlage für zukunftsfähige Lösun­gen. Unsere Überzeugung: Ohne die Gemeinschaft geht nichts, mit der Gemeinschaft (fast) alles. Starke Partner und breite, gegenseitige Unterstützung in einem lebendi­gen Ecosystem sind daher der Garant für eine innovative Zukunft, bei der die Herausforderungen


Dr. Frederik Giessing
Jahrgang 1977
1999 –2005 Studium des Wirtschaftsingenieurwesens an der TU Braunschweig und der TU Dresden
2006 –2009 Doktorand, Vattenfall Europe Distribution Hamburg GmbH und Universität Rostock
2009 –2018 Alliander AG, zuletzt Leiter Unternehmensentwicklung

Die gesamte ener|gate E-world-Sonderausgabe "Dekarbonisierung in der Industrie " finden Sie auf www.emw-online.com

Quelle: ener|gate Sonderausgabe